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Die Tunika: Durchdachtes Kleidungsstück der Vergangenheit

Sie zählt zu den bekanntesten Kleidungsstücken seit der Antike: die Tunika. Dank ihres einfachen Schnitts und ihrer Vielseitigkeit wurde sie über viele Jahrhunderte von Männern, Frauen und Kindern getragen. Selbst moderne Modedesigner verwenden diese traditionelle Schnittform in ihren Kollektionen. Ein Blick in die lange Geschichte der Tunika zeigt, warum sie so beliebt war und was über ihre Entwicklung bekannt ist.

Wissenswertes rund um die Tunika: Ursprünge und Geschichte

Der Begriff Tunika stammt direkt aus dem Lateinischen. Bei den Römern wurde die sogenannte tunica von Männern, Frauen und Kindern vor allem als Untergewand unter der Toga getragen. In der Regel war sie aus weißer Wolle, später auch aus Leinen gefertigt. Damit sie nicht auftrug, war sie schmaler als das Obergewand und seitlich geschlitzt. Sie reichte etwa bis zum Knie. Außer Haus wurde die Tunika (auch Cotte genannt) mit einem Gürtel zusammengebunden. Häufig waren an römischen Tuniken senkrechte Streifen zur Zierde angebracht, die sogenannten clavi. Ab der späteren Kaiserzeit kamen weitere Ornamentstreifen hinzu. Die tunica interior war ein einfaches Unterhemd, das noch unter der tunica getragen wurde. Tuniken wurden von Sklaven, Arbeitern und der Landbevölkerung auch als Hauptbekleidung verwendet, wie auf Reliefs und Fresken zu erkennen ist. Die römische Tunika entstand vermutlich aus dem griechischen Chiton. Dieser bestand ursprünglich aus zwei losen Stoffstreifen, die nur an einer Schulter zusammengeheftet waren.Die Tunika war nicht nur bei den Römern ein gängiges Kleidungsstück. Gemälde, Skulpturen, Illustrationen und Grabbeigaben belegen, dass das Kleidungsstück im gesamten Bereich des heutigen Europas und darüber hinaus getragen wurde. Ob es sich dabei um ein ähnliches Kleidungsstück aus der eigenen Kultur handelte oder eine direkte Übernahme von den Römern, ist nicht immer klar. Sowohl die Kelten als auch die Germanen trugen über den Hosen Hemden, die einer römischen Tunika ähnelten. Den Frauen dienten sie als Untergewand. Im Gegensatz zum römischen Pendant hatten diese Kleidungsstücke meist kurze oder längere Ärmel, um mehr Schutz in den kälteren Regionen zu bieten. Dass auch Wikinger Tuniken kannten, belegen Funde in Hedeby (Haithabu) und Birka. Eine noch ältere Tunika (ca. 300 n. Chr.) wurde darüber hinaus in einem norwegischen Gletscher bei Breheimen gefunden.

Bis ins späte Mittelalter blieb die Tunika ein weitverbreitetes Kleidungsstück in Europa und im Byzantinischen Reich. Länge und Ausführungen variierten. Ab dem 12. Jahrhundert wurde das Kleidungsstück vermehrt als Obergewand getragen. Diese Entwicklung führte dazu, dass neben den einfachen immer mehr prachtvolle Tuniken hergestellt wurden. Denn adelige Bürger, Würdenträger und Geistliche kleideten sich gerne in farbenfrohe, aufwendig verzierte Seidenstoffe.

Effizient und sparsam: Der Schnitt der Tunika

Die Grundform der Tunika ist denkbar einfach: Sie besteht aus zwei rechteckigen Stoffbahnen, die an den Schultern zusammen gehalten werden. Hierfür eignen sich beispielsweise Fibeln. Alternativ lassen sich die beiden Tücher mit wenigen Stichen zusammenheften. Bereits bei den Römern ist die Tunika an den Seiten zusammengenäht. Diese Schnittform zeichnet sich durch mehrere entscheidende Vorteile aus. Als rechteckige Bahn kommen Stoffe vom Webstuhl. Wenn sie in dieser Form verarbeitet werden, entfällt kompliziertes Zuschneiden. Das spart Zeit und sorgt dafür, dass das gesamte Material verarbeitet werden kann. Zudem ist sehr einfach, eine Tunika an die Körpermaße der jeweiligen Person anzupassen. Das Kleidungsstück lässt sich nach Belieben kurz, knielang oder lang fertigen. Schließlich eignet sich der gerade, schnörkellose Tunika-Schnitt ausgezeichnet, um aus einfachen, groben Stoffen alltagstaugliche Kleidungsstücke herzustellen.

Selbst der etwas aufwendigere Schnitt mit kurzen oder langen Ärmeln ist im Vergleich mit anderen Kleidungsstücken relativ einfach herzustellen. Zunächst wird die ärmellose Ausführung hergestellt. Anschließend erfolgt das Annähen gerader Ärmel im Schulterbereich. Daraus entsteht die typische T-Form einer Tunika. Aufwendiger Modelle können einen bequemeren Schnitt aufweisen, bei dem Zwickel (rechteckige Stoffstücke) im Achselbereich und Gehren (keilförmige Stoffstücke) im Rockbereich für mehr Bewegungsfreiheit sorgen.

Für diese Art von Näharbeiten eignen sich feine Stoffe wesentlich besser als grobes Material.

Stoffherstellung: eine Alltagstätigkeit im Haushalt

Stoffe und Kleidungsstücke zu kaufen blieb in der Antike und im Mittelalter den Wohlhabenden vorbehalten. Wer die Möglichkeit hatte, stellte seine Kleidung selbst her. Hierfür wurden Fasern tierischer oder pflanzlicher Herkunft verarbeitet. Wolle oder Leinen waren gebräuchliche Stoffe. Doch für die Produktion beider Stoffarten sind neben den Rohstoffen die geeigneten Werkzeuge erforderlich. Für die Erzeugung von Stoffen eignen sich sowohl Flachs-, Nessel- als auch Hanffasern. Welche Pflanzenart an einem bestimmten Ort zur Verfügung steht, hängt von den Böden, der Wasserversorgung und den Witterungsbedingungen ab. Die Gewinnung von Flachsfasern ist arbeitsintensiv. Nach mehreren Arbeitsschritten steht lediglich knapp 10 % des Erntegewichts als spinnbare Faser zur Verfügung. Hanf lässt sich etwas einfacher verarbeiten.

Ebenso wie die Pflanzenfasern muss auch Wolle mehrere Arbeitsgänge durchlaufen, bevor sie weiterverarbeitet werden kann. Dazu gehören Reinigen, Trocknen, Schlagen, gegebenenfalls Nachfetten sowie Kämmen. Abhängig von der Schafrasse und der Haltung gibt es unterschiedliche Wollqualitäten und -farben. Das Fell von Schafen aus den nördlichen Gebieten weist in der Regel zwei verschiedene Haartypen auf. Dicht am Körper befindet sich die wärmende Unterwolle, aus der sich feine Wollstoffe gewinnen lassen. Für den Schutz vor Kälte und Nässe sorgt das kräftige Außenfell, dessen Haare einen groberen Stoff ergeben.

Die weiteren Verarbeitungsschritte für Tier- und Pflanzenfasern unterschieden sich im Mittelalter wenig. Spinnen war der nächste Arbeitsschritt. Die einfachste – und vor der Erfindung des Spinnrads die einzige – Methode war das Spinnen von Hand. Mithilfe einer Spindel wurden dabei die einzelnen Pflanzenfasern zu Garn verarbeitet. Anschließend entstanden auf einem Webrahmen oder Webstuhl Stoffe für Tuniken und andere Kleidungsstücke.

Die Viborg Tunika: So sah die Kleidung der Betuchten aus

Im Jahre 1984 machten Archäologen bei Ausgrabungen in Dänemark einen faszinierenden Fund. Auf dem Gebiet der ehemaligen Wikingersiedlung Viborg Sødersø entdeckten sie die Überreste einer aufwendigen Tunika, die sich auf die erste Hälfte des 11. Jahrhunderts datieren lässt. Aus den Teilen haben die Wissenschaftler das interessante Kleidungsstück rekonstruiert.

Es handelt sich um ein langärmeliges Leinenhemd mit einer Länge von etwa 95 cm. Eine Laboranalyse ergab, dass der Stoff nicht gefärbt war. Bemerkenswert ist die aufwendige Verarbeitung des Rumpfteils. Vorder- und Rückteil sind aus einem Stück gefertigt (ohne Schulternaht), doch der obere Teil ist doppellagig. Hier wurde eine Art Innenfutter zusätzlich angesteppt. Unterhalb der Taille beginnen Seitenschlitze. Die rechteckige Kragenöffnung ist mit Schlitzen und Bändern versehen. Für die Ärmel wurden mehrere Schnitteile verwendet. Sie sind so verarbeitet, dass sie bequem anliegen und sich zum Handgelenk hin verjüngen. Insgesamt haben die Wissenschaftler an der Viborg Tunika acht verschiedene Arten von Nähten gefunden.

Aufgrund der aufwändigen Schnittführung der Tunika und des hohen Stoffverbrauchs ist davon auszugehen, dass dieses Kleidungsstück einer gut situierten Persönlichkeit gehörte.